„Amerikanische Verhältnisse“ sah die Volkspartei in Interviews schwarzmalerisch herandämmern, nachdem man in der hastig einberufenen Pressekonferenz über den vermeintlichen Hack der Volkspartei-Server informierte, was übrigens auch genau die Pressekonferenz war, in der man einer Falter-Journalistin den Zugang verweigerte – aus gutem Grund.
 
Es ist zugegebenermaßen schwer, den Überblick zu behalten. Damals passierte nicht nur allerhand gleichzeitig, auch die Volkspartei selbst legte sehr großen Wert darauf, jedwede schlechte Berichterstattung sofort mit neuerlichen Ankündigungen zu überdecken. Schon am Tag danach, nachdem der Falter interne Unterlagen zur geplanten Überschreitung der Wahlkampfkosten veröffentlichte, informierte die Volkspartei Medien und Polizei gleichzeitig über jenen vermeintlichen Hack auf die Server der Volkspartei, der die Schlagzeilen auf Tage dominieren sollte
 
Hastig lud man zum Hintergrundgespräch ohne Falter-Beteiligung. Dort wurde dann behauptet, es seien nicht nur Daten geklaut, sondern auch manipuliert worden. Die Insinuierung war klar: Nicht wir haben absichtlich das Gesetz gebrochen, sondern die Daten seien manipuliert worden, um der Volkspartei in der Endphase des Wahlkampfs etwas anzudichten. Natürlich wurde das so nicht gesagt, das wäre ja eine glatte Lüge gewesen, aber man hat in jedem Interview auf die mögliche Manipulation hingewiesen. Fragen, ob denn die hier gezeigten Dokumente korrekt seien, wurden nicht beantwortet. Bis heute ist man den Beweis dafür schuldig geblieben. Nach aktuellem Wissensstand hat die Volkspartei wissentlich, absichtlich, planvoll und wiederholt die Grenze für die Wahlkampfkosten überschritten und damit auf gut deutsch die österr. WählerInnen beschissen und in Rechtfertigung dieser Vorgänge auch noch angelogen. So weit, so bekannt.
Wechseln wir kurz den Schauplatz.
 
Den meisten unserer LeserInnen wird der Name Steve Bannon etwas sagen, daher hier nur die Basics. Steve Bannon gilt in rechtsextremen Kreisen als Königsmacher, ist weltweit vernetzt und hat deklariert das Ziel, in allen europäischen Ländern rechtspopulistische Parteien an die Macht zu bringen – im Rahmen der geltenden Gesetze, wie dieser immer wieder betont. Warum? Darüber lässt sich nur spekulieren. Bannon ist Rechtsnationalist, er ist Gründer der Nachrichtenplattform „Breitbart News“, die er selbst als die Plattform der „Alt-Right“, also der neuen Rechten definierte. Er ist Verbreiter von Verschwörungstheorien und wird von vielen Kritikern als „White Supremacist“, also als Rassist beschrieben. Sicher sind es ideologische Gründe, aber letztlich ist es auch ein riesiges Geschäft.
 
Steve Bannon war Wahlkampfleiter der Kampagne Donald Trump 2016. Also Vice-CEO und Gründer von Cambridge Analytica zeichnet er verantwortlich für die massenhafte und illegale Ausspähung von Abermillionen von BürgerInnen der USA, der illegalen Verarbeitung jener Daten und der flächendeckenden Anwendung selbiger vor allem in sozialen Medien. Ein Aktion, die Facebook am Ende 5 Milliarden Dollar Strafe einbringen sollte.
 
Steve Bannon sorgte dafür, dass vor allem in den sog. „Swing States“, also Staaten in denen der Ausgang der Wahlen knapp war, massiv in personalisierte Wahlwerbung investiert wurde. Man darf sich das nicht vorstellen wie den Wahlkampf der SPÖ im Sommer, wo PRW in knapp 200 Sujets einen jeden Morgen im Newsfeed versuchte, dich von ihrer Menschlichkeit zu überzeugen, sondern da ging es um knallharte Fehlinformation, Fake-News, Verschwörungstheorien, das volle Programm. Über die Auswirkung jener Kampagne wird wissenschaftlich noch gestritten, aber dass sie das politische Klima beeinflusst hat, ist allgemeiner Konsens. Die Dokumentation „The Great Hack“ beleuchtet diese Vorgänge und macht sie einordenbar, der Facebook Vice Andrew Bosworth stellt unterdessen in einem internen Papier klar, dass er sehr wohl glaubt, dass Facebook & Cambridge Analytica Trump die Präsidentschaft gewonnen haben: „So was Facebook responsible for Donald Trump getting elected? I think the answer is yes.”
 
Amerikanische Verhältnisse
 
Springen wir wieder nach Österreich. Steve Bannon hat mehrfach zugegeben, dass er und die FPÖ in Kontakt stehen und dass es „Meetings“ gegeben haben soll. Was bisher nicht bekannt war, auch die Volkspartei hat Kontakte in die USA und zumindest ins Umfeld von Steve Bannon. Erst vorige Woche sind weitere 100.000 Dokumente in Form der sog. „Cambridge Analytica Leaks“ aufgetaucht, die Philipp Maderthaner, Kampagnenleiter von Sebastian Kurz, mit Cambridge Analytica in Verbindung bringt. In einer geleakten Email bittet Maderthaner um ein Gespräch, um genau jene Technologie, die Trump den Wahlsieg brachte, auch in Österreich anwenden zu dürfen. Ob es dieses Gespräch gab, ist unbekannt, auch ob eine Zusammenarbeit entstand. Wie wir finden durchaus mal eine Frage wert, sollten Menschen wie Martin Thür, Corinna Milborn oder natürlich Armin Wolf hier mitlesen.
 
Wir wissen, dass Maderthaner Kontakt zu anderen Beraterfirmen in den USA hat, wir wissen, dass er selbst Methoden der Datenanalyse und Profiling betreibt und dass er diese Dienste der Volkspartei zur Verfügung stellt. Wir wissen auch, dass die Volkspartei sehr fleißig Daten sammelt, online sowieso, aber auch offline, wie zahlreiche Berichte über Bändchen, die man zum Eintritt zu Veranstaltung der Volkspartei braucht, die einem aber nur gegen Angabe von Personendaten ausgehändigt werden, nahelegen. Ob diese Daten zueinander finden und ob diese benutzt werden, um personalisierte Werbung in sozialen Medien auszuspielen, wissen wir leider nicht. Nachdem Philipp Maderthaner aber sogar den „Rising Star Award“ des US-Magazins Campaigns & Elections, eine Art Auslands-Oscar für Kampagnenexperten abstaubte, indem er das Profiling der Obama-Kampagne erfolgreich kopierte, ist es zumindest wahrscheinlich, dass diese Daten zentral verarbeitet werden und in die Kampagnen von Sebastian Kurz einfließen.
 
Wenn die Volkspartei also amerikanische Verhältnisse an die Wand malt, dann tut sie das in heuchlerischer Absicht, denn sie selbst wendet Methoden, wie sie in den USA heute Standard sind, hier an. Ehrlich Leute, bei dem Gedanken, dass auf irgendeinem Server der Volkspartei mein Name mit hunderten Entry-Points abgelegt ist, wird mir schlecht und wenn man bedenkt, dass die Volkspartei 300.000€ alleine für Online-Werbung in den 3 Monaten vor der Wahl abgedrückt hat, was wir durch die Falter-Leaks wissen, dann ist es ja nicht ganz unwahrscheinlich, dass man den Menschen genau das ausspielt, was sie grade hören und lesen wollen und was dem eigenen Mindset entspricht.
 
Wir sind gesellschaftlich bei weitem noch nicht in der Lage diese Vorgänge zu überblicken und sie zugänglich zu machen, etwa indem die User alle Werbungen und Snippets, die man ihnen personalisiert ausspielt, in eine Transparenzdatenbank hochladen. Das Bewusstsein dafür ist noch nicht da. Wir wissen auch nicht, wie weit man sich in Österreich traut, Verschwörungstheorien und glatte Lügen als Wahlwerbung zu instrumentalisieren. Sicher ist, dass diese Dinge in Österreich jetzt schon Anwendung finden und sicher ist auch, dass jene Berater, die uns von einer Partei überzeugen sollen, sehr wohl darum wissen, wie man so etwas macht.
 
Wollen wir keine amerikanischen Verhältnisse, sollten wir Strategien entwickeln, um dieses Aufbohren der Privatsphäre zu stoppen, bevor es noch mehr Schaden anrichtet als Sebastian Kurz zum Kanzler zu machen. Schon wieder.
 
(d)
 
P.S.: Es sei vielleicht nicht unerwähnt, dass man auf individueller Ebene natürlich sehr wohl was machen kann, zumindest lästig sein. Ich würde zB. durchaus ein Auskunfsbegehren nach DSGVO §15 und eine Datenlöschung nach Auskunft gemäß §17 von der Volkspartei, Lichtenfelsgasse 7, 1010 Wien bzw der Campaigning Bureau Kampagnenberatungs GmbH, Gölsdorfgasse 4/6, 1010 Wien empfehlen. Auch hilft es Browser-Erweiterungen wie den Political Ad Collector zu benutzen, um personalisierte politische Werbung öffentlich und damit vergleichbar zu machen. Falls ihr weitere Ideen habt, oder eure Infos mit uns teilen wollt, bitte gerne. Wir sind immer auf der Suche nach Infos, die man nicht mal eben googlen kann und auch an Erlebnissen, die einem eventuell etwas seltsam vorgekommen sind im Zusammenhang mit Datensammeln, politischer Werbung und Micro-Targeting. Wir sind immer nur so schlau, wie wir unser Wissen miteinander teilen, also fühlt auch aufgefordert und eingeladen, genau das zu tun.
 
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