Die Piraten sind tot. Aber sind sie das wirklich? Am 8. Februar 2020 ist die nächste Bundesgeneralversammlung einberufen. Das ist gut 14 Jahre nach der Gründung dieser Partei. Schon 2011 glaubte man, dass sie tot wäre, bis sie in Berlin stark zurück gekehrt sind und bis 2013 einen kometenhaften Aufstieg erfahren haben. Damals galten sie noch als Vorreiter. Als 1. Partei, die das Zukunftsthema unserer Gesellschaft, die Digitalisierung, anspricht. So kometenhaft der Aufstieg auch war, so schnell stürzten sie auch wieder ab.

Heute ist das Thema der Digitalisierung in der Gesellschaft angekommen. Im Regierungsprogramm von Türkis-Grün kommt Digitalisierung 79 Mal vor, Künstliche Intelligenz immerhin 30 Mal und der Begriff Daten wird 119 Mal erwähnt1. Beim Blick ins Detail wird es aber schwammig und teilweise sogar widersprüchlich. So ist zwar angekommen, dass die Digitalisierung ein Zukunftsthema ist, Deutschland etwa fordert, in ihrer KI-Strategie 100 neue Professuren im Themenfeld der künstlichen Intelligenz zu schaffen2, obwohl es aber noch gar keine Strategie gibt, wie man damit umgehen soll. Auch wird immer wieder über die „noch zu klärenden ethischen Fragen“ gesprochen oder über die wirtschaftliche Konkurrenszfähigkeit, aber nie werden dann auch diese noch zu klärenden ethischen Fragen besprochen. Kurzum: Das Thema ist da, der Inhalt fehlt.

Ein kurzer Blick über den Tellerrand zu den Grünen. Grüne Parteien gab es in Österreich seit Ende der 1970er, damals hat noch niemand an das Thema Umweltschutz in den Wahlprogrammen gedacht. Erst als die Grünen 1986 in den Nationalrat eingezogen sind, kam hier das Umdenken3. Heute kommt keine Partei mehr ohne ein grünes Kapitel im Wahlprogramm aus und jeder, der eines hat, muss sich der Kritik der Grünen selbst und der NGOs stellen. Selbes zeigt sich auch im internationalen Vergleich. Klar haben die Grünen nur in einigen Staaten überlebt. In jenen, in denen sie nicht überlebt haben, lag es aber jeweils daran, dass die anderen Parteien es rechtzeitig realisierten, dass sie grüne Programme benötigen4.

Damals war die Umwelt das Zukunftsthema, das die Gesellschaft bewegte und bis heute bewegt. Heute ist dies die Digitalisierung. Wir stehen vor wichtigen Fragen:

  • Wer bekommt die Arbeitsplätze der Zukunft und wie sehen diese aus? Hier sind „Plattform“-Unternehmen wie Uber und AirBnB erst der Anfang. Eigentlich ein klassisches Thema der Sozialdemokratie, aber jene Parteien, die sich diese Ideologie auf die Fahne schreiben, verabsäumen es das auch anzusprechen und Lösungen zu finden. Lieber biedern sie sich den Nationalisten an und übernehmen hinterwäldlerische Ideen. Kein Wunder also, dass diese Parteien europaweit einen Sturzflug erleben5.

  • Wie beeinflussen die „Sozialen“-Plattformen unsere Demokratie und wie gehen wir mit der damit zusammenhängenden Veränderung der Gesellschaft um? Unternehmen wie Facebook und Twitter haben hier eine unglaubliche Macht. Mit ihren Newsfeeds, die von Algorithmen zusammengestellt werden, haben sie sogar die Macht, Wahlen zu beeinflussen6. Dabei stellen diese automatisiert, auf Basis unseres Verhaltens generierten, Newsfeeds eine demokratische Entmachtung dar. Eine demokratische Entscheidung ist eine bewusst mit den Händen getroffene und nicht eine mit den Füßen, bei denen Konzerne unser Verhalten nach ihren Bedürfnissen optimieren wollen. Nicht einmal von den grundrechtsnahen Grünen oder den sich modern gebenden Neos wird dieses Problem aufgegriffen und angesprochen.

  • Wem dienen die Algorithmen? Der AMS-Algorithmus ist das beste Beispiel dafür. Hier dient der Algorithmus als Machtinstrument, denn Algorithmen sind niemals neutral. Sie sind immer nach den Bedürfnissen derjenigen ausgelegt, die sie einsetzen. Hier braucht es echte Mitbestimmung, damit nicht mehr Herkunft oder Geschlecht bestimmen, ob man z.B. Hilfe am Arbeitsmarkt bekommt. Dennoch findet sich der AMS-Algorithmus wieder im Regierungsprogramm von Türkis-Grün7. Die Mär der neutralen KI, die im Wohle aller handelt, hat sich zu lange gehalten. Algorithmen stehen niemals im luftleeren Raum, sondern immer unter dem Machteinfluss jener, die sie geschaffen haben.

Diese Liste ließe sich ewig weiter führen mit Themen wie Landflucht, Überwachung, einer transparenten Regierung, etc. Es geht darum, die Digitalisierung human zu gestalten. Es braucht also eine Partei, die für den humanen Digitalismus einsteht. Dennoch liegen die Piraten, die ich genau in dieser Rolle sah, am Boden. Aber das muss nicht sein. Anderen Piratenparteien, wie den isländischen oder den tschechischen Piraten, ist bereits diese Neu-Auferstehung gelungen.

Aktuell sitzen erstmals die Grünen, jene Partei die uns wohl inhaltlich am nächsten steht, in der Regierung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Regierungspartei auch eine Opposition braucht, damit sie sich nicht zu weit vom Kurs entfernt. Die SPÖ befindet sich weiterhin am Abwärtskurs und hat, wie schon erläutert, keinerlei Konzepte des humanen Digitalismus. Sie, ebenso wie die ÖVP, haben sich noch dazu von der FPÖ immer weiter abdriften lassen. Hier braucht es ein Gegengewicht, eines das die Zukunft human gestalten will. Die letzten Jahre waren die Bedingungen denkbar schlecht, mit den Grünen in der Opposition, aber nun, da sie in der Regierung sind, braucht es einen Stachel, der sicherstellt, dass sie stets an die Menschen und ihre Grundrechte erinnert werden.

Am 8. Februar 2020, zur Bundesgeneralversammlung, wird sich entscheiden, ob die Piraten diesen Kurs einlegen können.

Diese Auferstehung kann aber nur gelingen, wenn wir uns breit aufstellen. Breit bedeutet hier, dass wir einen BV brauchen, der nicht nur Wien, sondern auch die Städte anderer Bundesländer wie Tirol oder Steiermark vertritt8. Breit aber auch in den Kompetenzen. Es braucht fähige Personen, die reden können, die schreiben können. Personen, die Öffentlichkeitsarbeit verstehen, und die die Inhalte der Digitalisierung durchblicken. Es braucht einen Finanzplan und den Mut wieder Geld zu investieren. Dafür braucht es aber auch eine Geschäftsführung, die sich verlässlich um die Verbindlichkeiten der Partei kümmert, und neue Ideen, wie diese Gelder zu beschaffen sind. Und es braucht natürlich unsere Kontakte zu unseren Abgeordneten in Brüssel und den anderen Piratenparteien. Es braucht Frauen und es braucht Männer. Und es muss endlich klargestellt werden, dass Sexismus, Homo-/Transphobie und Rassismus schlicht parteischädigendes Verhalten sind.

Die Auferstehung 2020 kann gelingen, aber nur wenn wir es schaffen, ein diverses Team mit vielen verschiedenen Fähigkeiten aufzustellen.

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4Grant, Zack P., und James Tilley. 2019. https://doi.org/10.1080/01402382.2018.1521673

5Loxbo, Karl, Jonas Hinnfors, Magnus Hagevi, Sofie Blombäck, und Marie Demker. 2019. http://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1354068819861339

6Bond, Robert M. et al. 2012. http://www.nature.com/articles/nature11421 bzw. Stewart, Alexander J. et al. 2019. http://www.nature.com/articles/s41586-019-1507-6

8Bolleyer, Nicole, und Evelyn Bytzek. 2013. http://ejpr.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/1475-6765.12013

Beitragsbild: CharlesRodstrom@flickr.com

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