Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, als ein Grüppchen Internet-Trolle eine Idee hatte, die Hedgefonds und ihren Manager sehr viel Geld kosten sollte. „In 30 Jahren werden die Kinder in US-Schulen von den 4 i’s der Jänner Mittwoche lernen: Insurrection (Sturm aufs Kapitol, Mi 06.1), Impeachment (Trump, Mi 13.1), Inauguration (Biden, Mi 20.1) und Investments (GameStop, Mi, 27.1)“ [1]

Was bisher geschah: GameStop, eine Handelsketten die sich auf die (offline) Vermarkung von Computerspielen und Zubehör spezialisiert hat, war schon länger am absteigenden Ast, weil immer mehr online stattfindet. Der Konzern hat Pläne für eine Umstrukturierung offen gelegt, wie er digitale Geschäftsfelder erschließen wolle, aber die Investoren glaubten nicht an den Erfolg. Es kam also wie es kommen musste, Hedgefonds haben auf fallende Kurse gewettet (short selling). Kurz gesagt, verkaufen Investoren Aktien, die sie nicht besitzen und erst zu einem späteren, zukünftigen Zeitpunkt erwerben. Geht die Wette auf, kostet das Papier in der Zukunft weniger als jetzt und somit ergibt sich ein Gewinn aus der Differenz. An diesem Punkt kommen die „Leute aus dem Internet“ ins Spiel. Sie haben Wind von der Sache bekommen und sich dazu verabredet gegen die Hedgefonds zu wetten. Einfache Leute haben also begonnen die Aktien zu kaufen, was nach der Logik von Angebot und Nachfrage (die Anzahl der Aktien ist limitiert), dazu führt dass der Preis steigt. Die Hedgefonds verlieren also Geld, weil ihre Wette nicht aufgeht. Schlimmer noch, um ihre Short-Positionen aufzulösen, sprich nicht noch mehr Geld zu verlieren, müssen sie selber nachkaufen was den Kurs weiter nach oben treibt. Das Spiel ging soweit, dass ein Hedgefonds an den Rande der Insolvenz getrieben wurde, weil die Aktie immer weiter nach oben kletterte.

Soweit so gut: Man möchte meinen, es handle sich um die Hand des Marktes die hier arbeitet und die auch arbeiten kann. Leider ist das weit gefehlt. Der Aktienmarkt wird von der Politik gerne als Motor der Wirtschaft dargestellt, die Online Community hat aber erkannt was er wirklich ist: Ein Casino mit besonderen Regeln. Sie haben die Reichen in ihrem eigenen Spiel mit ihren eigenen Regeln geschlagen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich Warten. Rufe nach Regulierung, Zensur und Staatshilfen wurden laut. Die Wallstreet ist das Lieblingskind der Regierung, die Zeit wird zeigen wie die Politik reagiert. Außerdem hat die Aktion gezeigt, dass professionelle Investoren auch nur mit Wasser kochen. Sie verlieren immer wieder Geld, aber sie leben davon, dass Informationen nur in ihrem Club verfügbar sind. Wenn sich aber normale Leute in ihrern eigenen Strukturen verabreden, ist ihr Club nichts mehr Wert. Das Ansehen von Tradern beruht nicht auf Mathematik oder Wissenschaft, sondern darauf dass es weiße Männer in Anzügen sind. Wir sollten sie als das behandeln was sie sind, denn ihre faktische Basis unterscheidet sich kaum von jener der Astrologie.

Dass die Investoren ihre Beziehungen spielen lassen war zu erwarten, wie weit der Einfluss reicht, ist aber erschreckend. Der Sub-Reddit auf dem die Aktion koordiniert wurde (https://www.reddit.com/r/wallstreetbets/) wurde zwischenzeitlich immer wieder gesperrt, ebenso der Discord-Server. Neo-Trader die sich auf Kleinanleger spezialisiert hatten, haben den Betrieb zum Teil eingestellt. Nachdem der Kurs zwischenzeitlich auf  über 300$ gestiegen war, versuchten die Hedgefonds sich frei zu kaufen, indem sie eine große Anzahl von Short Orders einstellen, damit den Kurs drückten und hofften dass die Kleinen Anleger kollektiv zu Panik-Verkäufen übergehen würden. Genau zu dieser Zeit hat TradeRepublic den Handel der Aktien ausgesetzt, Robin Hood war indess noch dreister und hat zwar den Verkauf aber nicht den Kauf der Aktien ermöglicht. Gegen letztere wird jetzt wegen Korruption ermittelt [2].

Mittlerweile melden sich auf weitere Traditionelle Institute zu Wort: „Es ist fraglich, ob allen Kleinanlegern das große Risiko bewusst ist, dass sie gerade eingehen“, sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Unicredit Bank Austria. Denn der hohe Aktienkurs von Gamestop ist von den Fundamentaldaten des Unternehmens in keiner Weise gedeckt.“ [3]

Es ist immer wieder erstaunlich, wie überheblich oder zumindest vorsätzlich Navi die Leute sind. Es sind die Millennials, die diese Aktien kaufen. Es ist eine Generation, die 9/11 noch live gesehen hat und dessen Auswirkungen auf Freiheit und Datenschutz, die währen der Finanzkrise 2008 jugendlich war und ihren Berufseinstieg in den Trümmern dieser Krise leisten musste, sich wegen dieser nie eine Immobilie wird leisten können und die jetzt, nachdem sie endlich „Erwachsenen Geld“ verdient, in einer globalen Pandemie stecken.

Wir Millenals sind nicht eine weitere Generation wie GenX, die die Füße still hält und drauf wartet, dass sie das Zepta von ihren Eltern übernehmen kann. Wir sind eine Generation gut ausgebildeter Menschen, die live dabei war als ihr unsere Zukunft geklaut habt. Ihr habt uns alles genommen bevor wir überhaupt eine Chance hatten, es zu verteidigen. Das ist auch der Grund warum ihr uns nicht beschwichtigen sondern fürchten solltet. Wir haben keine Angst, weil wir nichts zu verlieren haben. Wir kaufen diese Aktien nicht um Geld zu verdienen, sondern um einen Punkt zu machen.

Aber es ist wahr, wir Millennials haben uns zwar immer gefragt warum wir uns das eigentlich alles antun (deshalb auch Gen-Why), aber trotzdem lange versucht bei diesem Bullshit Spiel mitzuspielen. Die GenZ tut das nicht. Sie weiß, dass für sie nichts mehr drinnen ist und geht auf die Straße. Noch könnt ihr die Kids mit ihren Plakaten beschönigen und ignorieren, aber sie steigen auch ins Berufsleben ein. Sie folgen aber nicht dem Pfad an unbezahlten Praktikas und einer unerklimmbaren Karriereleiter wie wir, nein sie schaffen neue Nischen im Internet. Sie schaffen Geschäftsfelder, die ihr nichtmal versteht.

Falls ihr euch fragt, wo wir uns radikalisiert haben und ob es dieses pöse, pöse Internet und Killer-Spiele waren: Nein, es waren Freihandelsabkommen, Rettungsschirme für Superreiche, Gründung von Geheimdiensten, Demontage der Menschenrechte und die Umweltzerstörung, die ihr betreibt. Haltet eure Fax-Maschinen gut fest, die Achterbahnfahrt geht grade erst richtig los, denn die nächste Generation steht schon in den Startlöchern.

Die Gen-alpha ist sich bewusst, dass ihr auf Zeit spielt und hat keine Geduld. Während die Millennials versucht haben selber etwas zu verändern und die GenZ zumindest auf eure Einsicht hofft, waren die ersten Worte der Gen-alpha „acab“ und „eat the rich“. Die Digitalisierung ändert alles, aber ihr haltet an alten Regeln fest: mit aller Gewalt, mit faschistischen Tendenzen. Wir sehen die Zeichen der Zeit – auch dank euch, denn ihr habt uns durch alle Bildungsinstanzen getrieben und wir teilen unser Wissen jetzt sehr gerne.

Letztendlich ist es aber kein Generationenkonflikt sondern ein Kampf oben gegen unten. Trotzdem ist die schweigende Mehrheit wie immer Teil des Problems; Es ist Zeit Partei zu ergreifen. Die Reddit-User die diese Aktion initiierten waren auch keine heiligen, sondern haben sehr viel Geld mit der Aktion verdient. Aber darf politischer Widerstand keinen Business Case haben?

 

 

[1] @averybrynn1, https://vm.tiktok.com/ZMe1aUAws/
[2] https://www.golem.de/news/gamestop-aktien-es-stinkt-nach-korruption-2101-153794.html
[3] https://www.derstandard.at/story/2000123737233/gamestop-so-heftig-treffen-die-giftpfeile-die-finanzhaie

Bilder:
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– https://twitter.com/rudy_betrayed/status/1354485494445461510

 

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