Liebe Basis,

liebe Kolleginnen und Kollegen in Funktionen,

liebe Freundinnen und Freunde der Piratenpartei,

im Grunde mache ich den Job im Bundesvorstand ganz gerne und ich habe noch lange nicht genug davon, weil es noch sehr viel gibt, das ich mit euch zusammen umsetzen und erreichen möchte. Widrigkeiten beeindrucken mich nicht sonderlich – auch wenn der Hype längst vorbei ist und wir verdammt eingedampft wurden.

Ich weiß nicht, ob wir aus dem Tief der enttäuschten Hoffnungen nach dem kurzen Höhenflug wieder heraus kommen, aber der Versuch ist es mir wert. Lieber für die individuelle Freiheit und eine humane Gesellschaft kämpfen und versuchen, das Zeitalter des digitalen Wandels für die Allgemeinheit positiv zu gestalten, als sich mit Halbheiten zufrieden zu geben.

Es gibt so viele, die auf die Fragen von heute und morgen mit den Antworten von gestern und vorgestern daher kommen oder sich in irrationale Scheinwelten zurückziehen, in denen es einfache Lösungen für komplizierte Herausforderungen gibt. Ich sehe, dass die etablierte Politik kaum einen Plan für die Zukunft hat – und wenn einmal doch so etwas wie Weitblick durchschimmert, versanden solche Ansätze sofort wieder im kleinkarrierten Hickhack um Eitelkeiten, Personen und Dogmen. Ich will es wissen und werde den piratischen Weg bis zum Ende gehen, weil ich davon überzeugt bin, dass eine faktenbasierte aufklärerische und vom Geiste des Humanismus getragene Politik, die den Anspruch hat, gestalterisch in die Zukunft zu wirken, einer Weltsicht überlegen ist, die nur die Vergangenheit verklärt und nicht über die Gegenwart hinausdenkt.

Und deshalb: „Hasta la victoria siempre!“

Genau in diesem Bemühen um Objektivität liegt unsere Chance, das progressive Wählerpotenzial anzusprechen, von der liberalen Mitte der Gesellschaft bis hin zur nicht dogmatischen Linken – also letztlich allen, die vernunftbasiert entscheiden.

Viele Entwicklungen in der Piratenpartei stimmen mich durchaus positiv – das Klima untereinander ist wesentlich besser geworden. Das Haifischbecken, in dem so viele gute Leute verloren gegangen sind, die sich am Ende angewidert abgewandt haben, ist nicht mehr. Der Basisblog ist bald fertig und unser Auftreten in den sozialen Medien ist besser und professioneller geworden. Immer wieder melden sich neue Interessenten, die in der Partei mitarbeiten wollen – dazu tragen auch die jetzt wieder regelmäßigen Stammtische in Wien bei. Unser Gemeinderat in Graz und sein Team machen vor Ort erlebbar, wie innovativ piratige Kommunalpolitik funktioniert und es hat sich sogar ein kleines Team zusammengefunden, das unsere Webauftritte technisch auf den neuesten Stand bringen wird.

Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die mir überhaupt nicht gefallen und die ich auch ansprechen will. Ich weiß ja, dass einige wirklich etwas beitragen um die Piratenpartei am Laufen zu halten und nach vorne zu bringen und, dass es andererseits für viele, gute private oder berufliche Gründe gibt, die es ihnen verwehren, sich stärker oder überhaupt zu engagieren. Mir ist auch bewusst, dass wir zahlenmäßig weniger geworden sind.

Gerade deshalb ist es aber wichtig, dass wir alle im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas dazu beitragen, dass die Parteiarbeit nicht einschläft, wir nach außen sichtbar sind und dadurch wieder Sympathisanten, Mitglieder und Wähler gewinnen.

Mir fehlt bei vielen die wirkliche politische Arbeit über das bloße Reden hinaus. Die Piratenpartei sollte aber eigentlich eine Mitmachpartei sein, die sich nicht nur auf das alleinige Konsumieren dessen beschränkt, was andere aufkochen.

Unsere Kampagne, „Direkte Demokratie wagen – Politik braucht Charakter“, scheint kaum jemanden zu interessieren. Da wurden in Vorarlberg und Wien ein paar Unterschriften gesammelt und nun geht nichts mehr weiter, obwohl die Materialien dafür zur Verfügung stehen; obwohl der BV seine Mithilfe anbietet und mehrfach dazu ermuntert hat, die Kampagne zu unterstützen.
Es gibt zwar keine Deadline, aber weitergehen sollte trotzdem etwas – und wenn ihr die Kampagne nicht wollt, hättet ihr es ja gleich sagen können, anstatt den BV am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen.

Wie das dann bei einer Nationalratswahl aussehen soll, von der keiner weiß, ob sie nicht wesentlich schneller kommt, als wir alle glauben und bei der wir viel schneller und mehr Unterstützungserklärungen sammeln müssen, um überhaupt antreten zu können, möchte ich mir noch gar nicht vorstellen. Ich bin gerne bereit an der Vorbereitung und Planung mitzuarbeiten und werde auch in den nächsten Tagen damit beginnen. Aber glaubt ja nicht, dass das 2, 3 Leute allein machen können!

In der Themenarbeit waren wir auch schon mal besser. Vor 1, 2 Jahren haben wir wenigstens noch zu besonders relevanten Themen Stellungnahmen zu parlamentarischen Begutachtungsverfahren geschrieben. Was eigene Themen, die Fortschreibung des Programms oder die Begleitung der parlamentarischen Arbeit angeht, herrscht mittlerweile völlig tote Hose. Das ist aber letztlich das, auf was es ankommt – die eigentlich politische Arbeit. Innovativ sind wir nicht, wenn wir keine eigenen Duftmarken setzen. Wenn sich wenigstens in einem Bereich ein paar Leute in einer AG zusammenfinden und den konsequent beackern, ist es ja auch schon was – aber das passiert nicht.

So, wie wir jetzt arbeiten, wird es jedenfalls nichts. Wenn wir wachsen und politische Relevanz entwickeln wollen, müssen wir mehr und das Richtige tun. Mich würde es freuen, wenn ihr dabei mithelft.

LG, Harald „VinPei“ Bauer

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