Die Piratenpartei Österreichs (ppAT) hat nach nun mehr als 12 Jahren mit 10.12.2022 die Pirate Parties International (PPI) verlassen. Zu diesem Entschluss kam die Bundergeneralversammlung 2022-1 einstimmig, nachdem ein vorangegangener Beschluss des erweiterten Bundesvorstands nicht eindeutig ausfiel.

Die Beendigung einer solch langen Partnerschaft, die ppAT ist Gründungsmitglied, fällt nie leicht und mit Sicherheit gibt es Stimmen, die das weder nachvollziehen können oder wollen, aber auch allgemein sollte man eine so weitreichende Entscheidung erklären. Das wollen wir, der Vorstand der ppAT, hiermit tun.

Die Beziehungen zwischen Österreich und der PPI waren seit vielen Jahren zwiespältig gewesen. Die Arbeit der Vorsitzenden Bailey Lamon, die sehr um Ausgleich und Verständigung bemüht war, fand allgemein guten Anklang, konnte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die PPI im Kern sehr stark von einigen wenigen Personen dominiert wird, die die Organisation offenbar als ihr Eigentum zu verstehen scheinen und sich auch so benehmen.

Mit dem Jahr 2016 wurde Piratenmitglied „desertrold“, zeitgleich auch Bundesvorstand, mit der Delegation zur PPI betraut. Die ersten Jahre der Zusammenarbeit gestalteten sich schwierig. Vorschläge, wie Piratenparteien von der Mitgliedschaft in der PPI konkret profitieren könnten, wurden im Ansatz ausgeschlagen und nicht als die konstruktive Kritik wahrgenommen, die sie mit Sicherheit inhaltlich, wie auch tonal war. Dazu zählten Vorschläge wie ein Blackboard zur Ausschreibung von Jobs bzw. dringend benötigten Hilfsleistungen für Neustarter, aber auch der Aufbau eines Couch-Surfing-Systems als App, um die internationale Qualität der Piratenpartei weiter hervorzustreichen und vor allem jungen Menschen hier eine Möglichkeit zu bieten, ihre Umgebung, ihr Land, ja, ihr Europa, nicht nur zu besuchen, sondern direkt Zeit mit Menschen zu verbringen, die zumindest laut eigener Angabe dieselben Ideale vertreten.

All diese Vorschläge wurden zwar öffentlich grundsätzlich sehr begrüßt, aber in Konsequenz weder gefördert, noch in irgendeiner Form erst genommen oder umgesetzt. Man ließ diese Dinge, wie man sagt, höflich unter den Tisch fallen.

Auch die Idee, ein Kampagnen-Team aufzubauen, das vor allem kleineren Parteien bei ihren Wahlantritten helfen hätte sollen, wurde zwar sehr positiv aufgenommen, geworden sind daraus aber nur noch mehr Sitzungen, in denen man ein wenig zu einem vorgegebenen Thema geplaudert hat, wohingegen substanzielle Arbeit nie stattfand und auch nicht vorgesehen war.

Das gegenseitige Verständnis sowie die Beziehung verschlimmerte sich, seit sogar sog. No-Brainer Aktionen seitens der PPI verhindert wurden. So war es für Mitglieder der ppAT unmöglich an Zugangspässe zum UNO-Zentrum in Wien zu gelangen, obwohl wir allein in Wien 44 aktive Mitglieder haben und ein Mitglied sogar direkt in der Nachbarschaft wohnt und das gern, nicht nur besucht, sondern auch anderen Besuchern zugänglich gemacht hätte. Die Zusage kam, aber auch nach mehrmaligen Nachfragen wurde uns diese Möglichkeit nicht eingeräumt. Erklärung, warum gerade uns keine Pässe erteilt wurden, denn andere bekamen welche, gab es keine.

Unter anderem auch durch diesen Vorfall war nach Jahren der Mitarbeit offensichtlich geworden, dass wir als Partei und als Mitglied nicht die Wertschätzung fanden, die wir uns erwartet hätten. Das schließt vor allem einigermaßen respektable Umgangsformen mit ein, aber auch die Erfüllung der Satzung und die Umsetzung der Tätigkeit in bester Absicht, die eigentlich Grundlage für jede Zusammenarbeit sein müsste. Die andauernde Diskreditierung unserer Partei, die von einigen Vorstandsmitgliedern auch öffentlich zur Permanenz wurde, war schwer zu ertragen geworden. Etliche Aufnahmen, die nach wie vor zugänglich sind, belegen, dass es von einem Teil der PPI keinerlei Bedürfnis gab, mit uns nur irgendwie geartet zusammen zu arbeiten. Wir wurden als Feind und als Teil einer ominösen „Nordallianz“ identifiziert, deren Ziel das Stören der Arbeit der PPI sein sollte und wie uns seit kürzerem unterstellt wurde, ja sogar die Vernichtung der PPI als solche.

Unser Hinweis, dass eine solche Haltung genau zum Entstehen einer solchen Gegenbewegung führen würde, konnte von jenem Teil des Vorstands nicht nachvollzogen werden und so blieb das eben die Stelle, an der man uns haben wollte und so behandelte man uns auch. Über einige Jahre ertrugen wir das sogar.

Allerdings kam es im Jahr 2022 zu besonders besorgniserregenden Zuständen, die wir nicht unkommentiert vergehen lassen wollten. Ein Alternate Board-Member wurde per Vorstandsbeschluss zum Schatzmeister erhoben, was laut Satzung nicht möglich ist. Das wurde sogar in genau jener Sitzung eingeräumt. Es wurde trotzdem gemacht. Ein klarer Regelbruch. Eine entsprechende Beschwerde unsererseits wurde mit sehr unflätigen Worten, wir seien Idioten, unsere Einwände seien einfach nur dumm etc, direkt wie öffentlich kommentiert. Das war der Umgangston geworden, dabei ist es das statutenmäßige Recht eines Mitglieds der PPI, eine förmliche Beschwerde einzubringen. Selbstredend wurde auch diese nicht behandelt, sondern mit Beleidigungen abgetan und ignoriert.

Zu einer weiteren Eskalation kam es im Rahmen der kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine ins Leben gerufenen Kampagne „Pirates 4 Ukraine“. Eine an sich sehr simple Sache: Wir sammeln Spenden für einen Piraten aus Norwegen, der diese Gelder verwendet, um Medizin und andere dringende Hilfsgüter im PKW in die Ukraine zu bringen. Eine Idee so einfach wie ein Omelette.

Es wurde eine Kampagne gestartet und seitens der ppAT viele Stunden darauf verwendet, diese Kampagne auch erfolgreich zu machen, so steuerten wir die Videokampagne, die Website, die Grafiken, Social-Media Overlays und eine Berichtserie aus der Ukraine selbst als Videoshareable bei. Der Beitrag der PPI, der die Verwaltung der Spenden überantwortet wurde, wozu sie sich auch bereit erklärt hatte (kein Problem), war sehr überschaubar. 

Nicht nur hat man nicht für die entsprechende Verteilung gesorgt, sprich diese Kampagne beworben, sondern auch die Weiterleitung der Gelder wurde verabsäumt. Angesprochen auf dieses seltsame Verhalten wurde die ppAT wie früher schon oft, als Störfaktor, als Troll-Partei betitelt, die ihre Angriffe auf die PPI einstellen solle.

Im Zuge dieser monatelangen Kampagne hat die ppAT gemäß den Statuten der PPI eine Beschwerde beim Schiedsgericht eingebracht, schließlich könne es nicht sein, dass für die Ukraine bestimmte Spendengelder einfach über Monate einbehalten werden bzw, wie später vom 2. Vorsitzenden vorgeschlagen wurde, das Geld einfach einer anderen Organisation übergeben werden sollte. Das wäre ein klarer Rechtsbruch und in der Schweiz auch strafrechtlich verfolgbar gewesen (die PPI hat ihr Bankkonto in Genf) und daher war eine Aufarbeitung durch das Schiedsgericht schlicht unumgänglich, auch um sich einer Mittäterschaft zu entziehen.

Leider wurde seitens der IT, deren Betreuung genau jener Person des Vorstands obliegt, die auch für die Weiterleitung der Gelder zuständig war, der entsprechende Schiedsgericht-Email-Verteiler nicht auf dem aktuellen Stand gehalten, weswegen diese Beschwerde das amtierende Schiedsgericht nicht erreicht hatte. Da der Vorstand von dieser Beschwerde wusste und auch sehen musste, dass das Schiedsgericht nicht tätig wurde, wozu es laut Statut binnen 2 Tagen verpflichtet ist, lässt dies nur den Schluss zu, dass man lieber einen Bruch der Statuten hinnahm, als sich mit dem eigenen Fehlverhalten auseinander zu setzen.

Erst die persönliche Vorsprache im Rahmen einer Generalversammlung Monate später führte dazu, dass der Fall formal übernommen wurde. Die Statuten der PPI sehen für einen solchen Fall 31 Tage Bearbeitung vor, diese Frist war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Bundesgeneralversammlung etwa 5-fach überschritten. Es gibt also innerhalb der PPI keinen Willen, Probleme, Versäumnisse oder gar möglicherweise rechtswidriges Handeln aufzuklären. Die dafür vorgesehen Rechte und Pflichten von Mitgliedern und gewählten Vorständen werden und wurden missachtet und erfüllen daher nicht ihren eigentlichen Zweck: Eine faire, transparente und inhaltlich tadellose Aufarbeitung von Fehlverhalten. Aus diesem Grund, und vielen kleinen anderen, hat die Piratenpartei Österreichs daher am 10.12.2022 entschieden, diese Organisation zu verlassen.

Wir hoffen in aller Ehrlichkeit, dass die PPI sich zu einem nützlichen Teil der Piratenpartei entwickeln wird, in dem es weniger um Dominanz in endlosen Sitzungen, sondern um Hilfe für die Mitglieder geht. Damit wäre unserer Bewegung am meisten geholfen. Vorerst sieht es so aus, als würde die PPI genau jene Hilfe lieber verhindern, als mit gutem Beispiel und mit der immensen Erfahrung von 10 Jahren Arbeit den jungen, aufstrebenden Piratenparteien zu dienen.

Bis sich jenes Selbstverständnis ändert und Mitglieder mit dem nötigen Respekt behandelt werden, wird die Piratenpartei Österreichs ihre Energie woanders besser zu nutzen wissen. Andere Leute bedingen andere Methoden, die Zeit verändert Verhältnisse. Wir verlassen die PPI, weil ihr Verhalten mit dem einer Piratenpartei nicht mehr vereinbar ist, und es mit diesem Vorstand darüber hinaus unerträglich geworden ist auch nur Kleinigkeiten zu besprechen. Niemand in unserer Partei ist weiterhin bereit, sich diesen Herabwürdigungen und Lügen weiter auszusetzen. Die PPI ist kein „Safe Space“, sondern im Gegenteil ein Ort, wo Menschen lächerlich gemacht werden, wo Gerüchte verbreitet werden und wo eigenes Fehlverhalten weder besprochen noch von den dafür vorgesehenen Institutionen aufgearbeitet wird. Damit ist die PPI ein zeit- & nervenvernichtender Faktor ohne nennenswerten Output geworden. Ein Sammelsurium sehr dominanter und zweifelhafter Charaktere, die sich ständig bedroht fühlen und ihre eigenen Kolleg*innen belügen, wenn das für nötig befunden wird. Ein Ort, wo man auch öffentlich vorgeführt, lächerlich gemacht, belehrt, beschimpft und gemaßregelt wird. Ja man war nicht mal im Stande, die eigenen Animositäten für Kriegsbeihilfen für Flüchtende nur für ein paar Wochen abzustellen. Das sind Niederungen, in die eine ppAT nicht mit kann, und die trotz massenhaften Belegen keinerlei Beachtung finden. Das hier über Jahre gezeigte Verhalten ist für unsere Partei, die an Würde und Menschlichkeit, an Fairness und Hilfsbereitschaft glaubt, nicht mehr aushaltbar gewesen.

Sollte sich das in den kommenden Jahren ändern, würden wir sehr gerne auch wieder diesem Teil der internationalen Bewegung unsere Aufmerksamkeit und Fähigkeiten schenken, aber es wird wohl ein wenig dauern und bis dahin gibt es woanders allerhand zu tun.

Es gibt auch Menschen im Vorstand der PPI, die ihr bestes gegeben haben, die tatsächlich mitgearbeitet und uns Mut zugesprochen haben, die versucht haben, die Wogen zu glätten, und am Ende doch noch etwas nützliches zu erreichen. Diesen Menschen wünschen wir das Beste für die Zukunft und bedanken uns für eure Offenheit, eure Liebenswürdigkeit, eure Motivation, euren Mut und die vielen Stunden, ihr geopfert habt. Ihr wisst, wer ihr seid.

Der Bundesvorstand der Piratenpartei Österreichs
Wien, den 17.12.2022

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