Hinter Gesetzen mit sperrigen Namen verbergen sich oft die größten Errungenschaften. Das Deregulierungsgrundsätzegesetz (DGG), ist solch ein Gesetz, das es in sich hatte und deswegen oft unterschätzt und kritisiert wurde. Nun finden die Grundsätze der Deregulierung am 30. Juni 2020 ihr Ende[1].

Die Kritik ist einfach, es ist schlecht geschrieben, unklar wen es betrifft und voller „Sollensbestimmungen“, die meist eh nicht eingehalten werden[2]. All diese Schönheitsfehler führten dazu, dass dieses Gesetz eher belächelt und schlussendlich Opfer seiner eigenen Grundsätze wurde. Die Ironie des Schicksals ist nämlich, dass genau dieses Gesetz festlegte, dass Gesetzesvorschläge zukünftig immer ein Ablaufdatum haben sollten, zu dem sie evaluiert werden, die so genannten Sunset-Klauseln. Als vorbildhaftes Gesetz ging das Deregulierungsgrundsätzegesetz natürlich mit gutem Beispiel voran und setzte sich eben für den 30. Juni 2020 selbst ein Ende.

Aber ist das Ende gerecht?

Eigentlich hätte nach den Grundsätzen des DGG (§ 1 Abs 5) eine Evaluierung des DGG selbst stattfinden sollen. Jedoch wurde genau dies unterlassen, sodass das Gesetz auslief. Hier zeigt sich zugleich die Stärke als auch die Schwäche des Gesetzes. Denn mit dem Deregulierungsgrundsätzegesetz kam erstmals eine Bestimmung in Kraft, die generell fordert, dass Gesetze in regelmäßigen Zeitabständen evaluiert werden müssen. Aber auch die Schwäche wird offensichtlich, das gesamte Gesetz ist freiwillig und enthält keine Verpflichtungen. Auch in der Praxis anderer Gesetze lässt sich das beobachten. Nehmen wir als Beispiel das Überwachungspaket, dieses bestand aus 2 Teilen:

  1. ein Gesetzesvorschlag aus dem Innenministerium mit einer Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes, der Straßenverkehrsordnung etc. Unter anderem mit einer Ausweitung der Überwachung im öffentlichen Raum[3]. Und
  2. ein Gesetzesvorschlag aus dem Justizministerium mit einer Änderung des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes, die z.B. den Bundestrojaner enthielt[4].

Der 1. Teil ist ein Beispiel dafür, wie die Freiwilligkeit ausgenutzt wird, um selbst bei sensiblen Rechtsmaterien möglichst langfristig die Grundrechte einzuschränken. Keine Sunset-Klausel, keine Evaluierung, keine vollumfassende Wirkungsfolgenabschätzung, im Prinzip alle Grundsätze der Deregulierung verletzt. Der 2., aus dem Justizministerium stammende Teil, zeigte dagegen vor, wie es richtig geht. Die Bestimmungen sollten 2025 auslaufen und bis dahin evaluiert werden. Fast schon traurig, dass wir das aufgrund der Aufhebung durch den VfGH nicht mehr in der Praxis erleben werden.

Von den Grundsätzen der Deregulierung zu den Grundsätzen des Grundrechtschutzes

Leider kam es nie zu einer Evaluierung. Und somit auch nie zu einer Ausbesserung der Schönheitsfehler. Dabei wäre es möglich gewesen, diese Grundsätze der Deregulierung zu einem echten Feature unseres parlamentarischen Systems weiter zu entwickeln. Mit diesen Grundsätzen gab es nämlich erstmals durch das Parlament ganz konkrete Vorgaben, wie die Regierung Vorlagen an das Parlament zu gestalten hat. Das stellt eine unglaubliche Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung dar und befördert den Parlamentarismus in Österreich. Und selbst mit kleinen Verbesserungen hätte dieses Gesetz wahnsinnige Schlagkraft zum Schutz der Grundrechte entwickelt:

  1. Eine Klarstellung, dass diese Bestimmungen für die Ausarbeitung von Regierungsvorlagen gelten.
    Dies würde die Macht des Parlaments gegenüber der Regierung stärken, indem es eindeutige Vorgaben für die Ausarbeitung von Gesetzen festlegt.
  2. Eine verpflichtende Einhaltung der Bestimmungen, außer bei internationalen und europarechtlichen Vorgaben.
    Damit wäre sicher gestellt, dass wirklich alle Gesetze eine Sunset-Klausel haben und auch Überwachungsgesetze ablaufen, sofern sie nicht nach einer Evaluierung verlängert werden. Im Einzelfall kann das Parlament immer noch die Sunset-Klausel streichen, aber dies sollte eine alleinige Kompetenz des Parlaments bleiben.
  3. Festlegung einer maximalen Lebenszeit und Evaluierungsperiode eines Gesetzes.
    Der aktuelle Gesetzestext leidet nicht nur darunter, dass er rein freiwillig ist, sondern auch, dass die Sunset-Klausel und Evaluierung in die Unendlichkeit verschoben werden könnten. Dem soll vorgebeugt werden, indem die Evaluierung spätestens nach 5 Jahren und die Sunset-Klausel spätestens nach 6 Jahren stattfinden sollten. Damit wäre die Überprüfung von Gesetzen erst nach einer Wahl, was eine langfristige Einbindung von uns Bürger*innen sicherstellen würde.
  4. Kein Rust-Plating mehr.
    Aktuell schreibt das Deregulierungsgrundsätzegesetz vor, dass die Übererfüllung (Gold-Plating) europäischer Vorschriften vermieden werden sollte. Langfristig würde eben genau das zum so genannten Rust-Plating, also dem Verrosten von Gesetzen führen. Hier wäre es empfehlenswert, wenn der Regierung eingeräumt werden würde, dass sie dem Parlament aktiv vorschlagen darf, an welchen Stellen die Vorlage ausgeweitet werden sollte.

Schon diese 4 Punkte würden die Rechte des Parlaments stärken, langfristig einen Grundrechtsschutz sicherstellen (oder zumindest stärken) und die Einbindung der Bevölkerung maßgeblich verbessern. Also versuchen wir es erneut. Machen wir einen 2. Anlauf und entwickeln das Deregulierungsgrundsätzegesetz zu den Grundsätzen des Grundrechtsschutzes weiter.


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