Am gestrigen Mittwoch beging die Kirche zusammen mit dem Staat den „Red Wednesday“, bei dem auf das Schicksal verfolgter Christ*innen aufmerksam gemacht werden soll. Neben einigen Kirchen wurde auch das Parlamentsausweichquartier, das Innenministerium und das Bundeskanzleramt rot beleuchtet (wir haben berichtet). Diese Aktion ist an Zynismus kaum zu überbieten, aber beginnen wir am Anfang.

Am 15.03.2021, nur zwei Tage, nachdem das Europäische Parlament den Beschluss gefasst hatte, die EU zur LGBTIQ Freedom Zone zu erklären, meldete sich der Vatikan zu Wort und erklärte, dass Homosexualität nach wie vor eine Sünde sei und Gott diese Sünde nicht segne. Wir hatten darauf hin die Prüfung der Auflösung der katholischen Kirche beantragt [2]. Laut Auskunftspflichtgesetz wäre die Anfrage „ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach Einlangen“ beantworten.

Wir mussten eine Anwaltskanzlei bemühen (und bezahlen) und haben nun, am 17. November eine Antwort auf unsere Anfrage vom 18. März, also ziemlich genau 8 Monate (!) später erhalten. „Vorweg dürfen wir uns für den unbeabsichtigten verlängerten Aktenlauf entschuldigen“, hieß es dazu lapidar im Schreiben des Kultusamts, welches in dieser Angelegenheit zuständig ist [3]. Wir haben weder eine Antwort auf unseren Fragen, noch einen Bescheid bekommen, stattdessen die folgende Ausführung:

Die katholische Kirche erhielt ihre gesetzliche Anerkennung allerdings nicht aufgrund dieses Gesetzes, sondern gilt als historisch anerkannt […] bzw. ergibt sich ihre Rechtsstellung aus [dem] Konkordat […] §11a BekGG ist daher auf die katholische Kirche nicht anzuwenden.

Zur Erinnerung: §11a BekGG regelt die Auflösung von Religionsgemeinschaften, wenn sie die wesentlichen Bedingungen, die für ihre Anerkennung gegeben sein mussten, nicht mehr erfüllen, z.b. eine positive Einstellung zu Staat und Gesellschaft. Wir wollten wissen, wie, wann und ob die Einstellung der Kirche zu Staat und Gesellschaft geprüft wurde und was ggf. das Ergebnis ist.

Stattdessen haben wir jetzt also schriftlich: Das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften gilt nicht für die katholische Kirche. Sie steht über den Dingen. Das Konkordat steht aber nicht im Verfassungsrang, EU Gesetze gibt es auch noch und wir können zusätzlich gegen die Aussagen und nicht nur gegen die Organisation vorgehen. Wir prüfen nun die weiteren Schritte. Während wir hier also schon einigermaßen erstaunt waren, ist das Timing wie eingangs erwähnt umso bemerkenswerter:

Ebenfalls am gestrigen „Red Wednesday“ debattierte das Parlament in Ghana, einem katholisch geprägten Land, über „die Einführung von Anti-LGBT-Gesetze, die Haftstrafen für gleichgeschlechtlichen Sex, das Verbot von LGBT Werbung, verbot öffentlicher Zärtlichkeiten, verbot gesundheitlicher Dienstleistungen für LGBT Personen, zwang zu Konversionstherapien und Verpflichtung für Lehrer und andere Autoritätspersonen zum Denunzieren vorsehen […] Der Erzbischof unterstützt das neue Gesetz [und hat auch gesagt, Homosexualität sei mit dem Tod zu bestrafen“ [4].

Während sich Christ*innen also im Stephansdom rot beleuchten, beweihräuchern und darüber sinnieren, wo sie verfolgt werden, fordert kaum jemand lauter, Homo- und Transsexuelle zu kriminalisieren und ihnen den Zugang zu Bildung und Gesundheit zu erschweren als Christ*innen. Währenddessen schrieb uns das Kultusamt aus dem ebenfalls rot beleuchteten Bundeskanzleramt, dass die Kirche über dem Gesetz steht.

Grotesk.

 

[1] https://basis.piratenpartei.at/blog/2021/11/17/warum-ist-das-parlament-rot/
[2] https://piratenpartei.at/kirche-vs-eu-lgbtiq-freedome-zone/
[3] https://fragdenstaat.at/anfrage/prufung-der-auflosung-der-katholischen-kirche-in-osterreich-nach-jungsten-homosexuellenfeindlichen-auerungen-aus-dem-vatikan/6302/anhang/2021-0793538-2-a_-_ausgang_17112021__geschwaerzt.pdf
[4] https://www.nzz.ch/international/ghana-die-vorzeigedemokratie-plant-ein-hartes-anti-lgbt-gesetz-ld.1654844?mktcval=fbpost_2021-11-17&mktcid=smch

Bild: Bundeskanzleramt

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