Die Europäische Union hat sich kurz nachdem die Impfungen gestartet sind auf digitale Impfzertifikate geeinigt. Die Zertifikate werden dezentral ausgestellt, d.h. jedes Land bzw. jede Apotheke, Impfstraße oder niedergelassene Ärtzt*in ist grundsätzlich in der Lage ein solches Zertifikat auszustellen. Die Zertifikate können offline (ohne Verbindung zu irgendeinem zentralen System) validiert werden, z.B. mit der GreenCheck App. Die Umsetzung ist sehr begrüßenswert, weil Datenschutzfreundlich. Zumindest im Prinzip.

Die österreichische Umsetzung erfolgt über das Gesundheitstelematikgesetz (GTelG) und die eHealth Verordnung (eHealthV). Hierbei bleibt vom Datenschutz nichts mehr übrig. NGO haben das vorgehen kritisiert: „e-Impfpass Opt-out Möglichkeit hätte vertrauen geschaffen“ [1] auch wir haben berichtet. Bei der elektronischen Gesundheitsakte ELGA ist jedenfalls eine opt-out Möglichkeit vorgesehen. Epidemiologisch ist es auch schwer nachvollziehbar, welchem Zweck diese Daten dienen: Die Impfquote kann jedenfalls über die Anzahl der verabreichten (erst, zweit und dritt) Impfungen nachvollzogen werden. Geprüft werden muss die Impfung ohnehin über das Zertifikat, weil sich auch nicht in Österreich lebende und nicht in Österreich geimpfte Menschen im Lande aufhalten.

Michael Ludwig, der Wiener Bürgermeister, hatte nun die geniale Idee, alle in Wien lebenden, noch nicht geimpften Menschen für einen Impftermin anzumelden und einen Brief zu schicken [2]. Wir begrüßen Maßnahmen, die zur Erhöhung der Impfquote dienen, wir glauben aber nicht, dass der Zweck alle Mittel heiligt. Gerade in diesem Fall, ist die Lage doppelt angespannt, einerseits weil es sich um sensible Informationen handelt, die im Gegensatz zu „normalen“ personenbezogenen Daten datenschutztechnisch aus gutem Grund besonders geschützt sind und weil die Fronten zwischen Geimpften und Ungeimpften ohnehin verhärtet und sehr emotional sind.

Meine Mutter verbietet mir, mich impfen zu lassen.

„Die 17-jährige Wienerin Hannah R. ist planlos. Ginge es nur nach ihr, wäre sie gegen das Coronavirus geimpft. Ihre Schulfreundinnen haben sich bereits dafür entschieden. Hannahs Problem: Ihre Mutter ist Impfgegnerin und setzt die Tochter emotional unter Druck“, berichtete etwa Profil [3] auch in anderen Zeitschriften erschienen ähnliche Artikel. Jugendliche, die sich gegen den Willen ihrer Eltern für eine Impfung entschieden haben, wurde in den Impfzentren völlige Vertraulichkeit versprochen. Eltern würden nichts über den Impfstatus ihrer Kinder erfahren. Wenn die Stadt Wien jetzt Briefe verschickt, die Eltern einen bekommen, das Kind aber nicht, braucht es keine geistigen Höchstleistungen, um die entsprechenden Schlüsse zu ziehen: Das Kind ist geimpft.

„Angenommen, Eltern sind gegen eine Impfung, aber das Kind will sie trotzdem – oder umgekehrt: Daraus entstehen psychosoziale Probleme und seelische Verwerfungen.“ – Klinischer Psychologe Roland Bugram [3]

Auch ohne der Denunzierung durch den Wiener Bürgermeister, haben einige Eltern bereits Informationen über den Impfstatus ihrer Kinder erlangt.

„Als meine Mutter davon erfuhr, schrie sie mich an“

erzählt eine betroffene Person [4] und führt weiter aus:

„Meine Mutter hat mich zwei Wochen lang ignoriert. Als ich etwas von ihr gebraucht habe, bekam ich die Antwort: „Jetzt werden sich einige Dinge ändern. Du kriegst nur mehr das Nötigste.“ So war es dann auch. Wenn ich Geld gebraucht habe, wollte sie es mir nicht geben. Und ich musste mir natürlich vieles anhören.“

Insgesamt, nahm die häusliche Gewalt während der Lockdowns zu [5], vor allem trifft diese Gewalt Frauen* und Jugendliche. Der nächste Lockdown steht vor der Tür und mit der avisierten Impfpflicht ab Februar [6], ist davon auszugehen, dass die Wogen wieder hochgehen. Auch hier ist es leicht vorstellbar, dass ungeimpfte, frustrierte Männer ihre Wut an ihren heimlich geimpften Frauen auslassen, wenn diese einen Brief bekommen, die Frau aber nicht. Ludwig hat wohl entweder nicht mitgedacht oder ist bereit marginalisierte, von Gewalt ohnehin betroffene Minderheiten zu opfern.

Ob die Impfpflicht im Februar letztendlich wirklich kommt, ist fraglich, aber auch hier sind Probleme vorprogrammiert. Die Datenschutzgrundverordnung DSGVO sieht das Recht auf Datenkorrektur vor (die jedenfalls kostenlos sein muss) sowie Datenlöschung. Nichts davon wurde im e-Impfpass umgesetzt, das Gesetzt ist also wider besseren Wissens bewusst und absichtlich datenschutzunfreundlich beschlossen worden. Personen, die Impfungen im Ausland erhalten haben, müssten diese kostenpflichtig nacherfassen lassen, andernfalls scheinen diese nicht im e-Impfpass auf. Konsequenzen: Eine Impfung in Österreich scheint jedenfalls als erste Impfung auf, wenn sich Personen in Österreich impfen lassen (z.B. Booster). Der Impfstatus der Person wird also falsch erfasst ohne kostenlose Möglichkeit auf Datenkorrektur. Personen, die zwar in Österreich leben, hier aber nicht geimpft wurden, sind als Ungeimpfte geführt, daher besteht die Gefahr im Falle einer Impfpflicht eine Verwaltungsstrafe zu bekommen. Dass es kein Opt-Out gibt und die Daten quasi ewig gespeichert werden, wurde bei der Einführung bereits bemängelt [1].

Wieder einmal können sich österreichische Politiker*innen gegenseitig auf die Schultern klopfen: „Alles richtig gemacht“.

 

 

[1] https://epicenter.works/content/e-impfpass-opt-out-moeglichkeit-haette-vertrauen-geschaffen?fbclid=IwAR0DqLJSn4Ygsm1haC8aFGgm8iThO8i5pQ1ZRdv6xmDenP5WOxZG_OvaUgc
[2] https://wien.orf.at/stories/3130583/
[3] https://www.profil.at/oesterreich/corona-impfung-duerfen-oesterreichs-jugendliche-selbst-entscheiden/401480539
[4] https://www.moment.at/story/impfen-gegen-den-willen-der-eltern
[5] https://www.tt.com/artikel/30753118/haeusliche-gewalt-nahm-waehrend-lockdowns-in-oesterreich-zu
[6] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6063131/Corona-in-Oesterreich_Bundesweiter-Lockdown-ab-Montag-fix

Beitragsbild by Adrià Crehuet Cano on Unsplash

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