Machtfrage
Die Geschichte der Piraten ist schnell erzählt. Es gab einen Hype, die Piraten haben sich über die ganze Welt ausgebreitet, dann war der Hype weg und die Piraten auch, kurz, knackig …
und falsch.
Falsch deshalb, weil es die Piraten noch gibt. Vor allem aber falsch, weil „der Hype“ maximal ‚Politikexperten‘ und Journalisten als Erklärung des Phänomens Piraten genügen kann.
Parteien, zumindest solche, die nicht in das aktuelle politische Spektrum passen, entstehen nicht wegen eines Hypes. Parteien entstehen, weil in der Gesellschaft eine Machtfrage zur Beantwortung ansteht.
Steht die Macht dem Adel oder den BürgerInnen zu, diese Frage führte zur Gründung der bürgerlichen Parteien.
Soll Macht an Besitz geknüpft sein oder steht sie allen zu? Diese Frage gebar die sozialistischen Parteien.
Steht Macht nur Menschen zu, oder müssen Natur und Umwelt mit Rechten und damit auch mit Macht ausgestattet werden? Diese Frage stand hinter dem ‚Hype‘, der die Grünen nach oben brachte.
Die jeweilige Gründungsfrage stellt nicht die Partei. Sie wird von der Gesellschaft lange vor einer Parteigründung gestellt. Es ist die Gesellschat, die diese auch beantwortet.
Parteien tauchen erst in der allerletzten Phase auf, wenn es für die Gesellschaft darum geht sich auf den Weg zu machen um dort hin zu kommen, wohin die Reise gehen soll. Bis zum Ziel kann es dann zwar durchaus noch Jahre bis Jahrzehnte dauern, die Richtung ist jedoch entschieden.
Insofern unterscheiden sich die Piraten nicht von anderen Parteien, was ist also schief gegangen?
Nichts würde ich sagen, nur der Zeitplan ist durcheinander geraten. Von den Anfängen der Umweltbewegung bis zur Gründung der Grünen vergingen mehr als zehn Jahre. Zwischen der 1. Beschlagnahme der Server von ‚The Pirate Bay‘ und der Gründung der ersten Piratenpartei lag gerade mal ein Jahr. Hier hat vermutlich das Internet seine Bits im Spiel gehabt und den Prozess der Parteiwerdung ungeheuer beschleunigt, mit Folgen. Es gab eine Partei, ohne dass die Gesellschaft sich darüber klar werden konnte, welche Machtfrage denn geklärt werden müsse und wie die neue Antwort aussieht.
Über Zehn Jahre sind seither verstrichen, es ist an der Zeit die Frage die zur Gründung der Piraten geführt hat zu formulieren und zu stellen:
Braucht eine Gesellschaft überhaupt Macht?
Ist es für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig, dass Menschen glauben legitimiert zu sein über andere Menschen zur verfügen.
Die Antwort, die sich mit den Piraten manifestiert hat, lautet ‚Nein‘.
Für die alte Antwort auf die Frage, ja es braucht mehr Machtausübung, es braucht den ’starken Mann‘, stehen Leute wie LePen Wilders Gauland und Strache.
Es ist an der Zeit, dass die Piraten von den WählerInnen in den Ring geschickt werden.
https://basis.piratenpartei.at/blog/2017/05/13/machtfrage/https://basis.piratenpartei.at/wp-content/uploads/2017/05/ppis.jpghttps://basis.piratenpartei.at/wp-content/uploads/2017/05/ppis-150x131.jpgBeiträge von PiratenDie Geschichte der Piraten ist schnell erzählt. Es gab einen Hype, die Piraten haben sich über die ganze Welt ausgebreitet, dann war der Hype weg und die Piraten auch, kurz, knackig ... und falsch. Falsch deshalb, weil es die Piraten noch gibt. Vor allem aber falsch, weil 'der Hype' maximal 'Politikexperten'...Wolfgang SamsingerWolfgang Samsingersaw@samsinger.atEditorppAT Basisblog11 Comments Already
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ich vertrete die Ansicht, dass unsere Gesellschaft noch eine Macht benötigt, die Macht über Einzelpersonen in dieser Gesellschaft auszuüben imstande ist. Diese Macht muss im Sinne der Gewaltenteilung institutionalisiert durch das Gewaltmonopol der Exekutive ausgeübt werden (Selbstjustiz oder Lynchmob geht gar nicht!).
Dabei geht es darum Einzelpersonen in die Schranken zu weisen, die gegen andere Menschen körperliche oder psychische Gewalt anwenden wollen oder dies gar ausführen.
Damit dies funktionieren kann, darf die gesetzgebende Instanz nicht in die Hände einer kleinen Minderheit fallen, die ihre eigenen Interessen vertritt (ungerechte Gesetze) und in der Folge die Exekutive zur Durchsetzung von Minderheitsinteressen instrumentalisiert und missbraucht. Beispiel: Polizei unterbindet Demonstrationen gegen G8 Treffen, wenn dort Maßnahmen beschlossen werden sollen, die nur Investoren und nicht auch Lohnabhängigen zugutekommen.
Es ging mir in dem Text nur um die Legislative. Das ist ja auch das Tätigkeitsfeld politischer Parteien und auch der Bereich in dem ich in Zukunft die radikalsten Veränderungen kommen sehe. Ich denke dass das gegenwärtige „one fits all“-Modell der Gesetzgebung – ein Gesetz das für alle passen soll – durch eine Vielzahl unterschiedlicher Vereinbarungen von Menschen untereinander abgelöst werden. Diese Vereinbarungen gelten natürlich nur für die die sie treffen und können natürlich nicht zu lasten dritter abgeschlossen werden. Ich bin kein Jurist, also kann ich nur schätzen, aber ich vermute einmal, dass von allen beschlossenen Gesetzen mich nur ein Bruchteil persönlich jemals betrifft. In meiner, noch, Utopie entscheiden BürgerInnen über Dinge die sie selbst direkt betreffen gemeinsam mit denen die davon ebenfalls direkt betroffen sind. Das Hoheitsgebiet wird nicht räumlich sondern Betroffenheit definiert, das Steuerungsinstrument ist nicht Macht, sondern Nutzen für den Einzelnen.
so leicht geht Mißverständnis und aneinander vorbeireden.
Wenn du in deinem Quelltext irgendwie einen Hinweis anbringen könntest, dass sich das auf Legislative bezieht, wäre meine Antwort anders ausgefallen.
Würde ABGB und StGB wesentlich verschlanken. Man braucht nur wenige General Rules (du sollst nicht töten, was du nicht willst, das man dir tu …) der Rest wird nur zwischen (hoffentlich gleich starken auf gemeinsamer Augenhöhe befindlichen) Beteiligten ausgemacht. Hat einen gewissen Charm
Zum Glück kann man sich die Missverständnisse im nachhinein ausreden. Dass sich die Beteiligten auf Augenhöhe befinden sehe ich als zwingende Voraussetzung dafür, dass das ganze überhaupt funktionieren kann.
„Braucht eine Gesellschaft überhaupt Macht?
Ist es für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig, dass Menschen glauben legitimiert zu sein über andere Menschen zur verfügen.
Die Antwort, die sich mit den Piraten manifestiert hat, lautet ‚Nein‘.“
Ich habe mit dem Wort Macht Probleme. Nicht weil ich Macht per se für schlecht halte, sondern weil Macht so viele Gesichter hat (gute und böse). Wenn man den Wikipedia-Artikel dazu liest, wird einm das so richtig bewußt.
Prinzipiell übt jeder Mensch aleine dadurch Macht aus, dass er etwas sagt oder etwas tut. Einfach weil er damit etwas bewirkt, etwas /jemanden beeinflusst. Somit gehört Macht zu unserem persönlichen Alltag.
In unserem politischen Leben übertragen wir bei Wahlen Macht an eine Person oder Partei, von der wir glauben, dass sie in unserem Sinne handelt und das auch besser macht als man es selbst machen könnte. Viele Menschen sind auch froh, wenn ihnen jemand Entscheidungen abnimmt, da nicht ein jeder der geborene Entscheider ist. Vom notwendigen Fachwissen will ich gar nicht reden.
Ich glaube daher, dass die Gesellschaft Macht braucht und dass Macht auch in der Legislative notwendig ist, um in vernünftigen Zeiträumen zu Ergebnissen zu kommen.
Heikel sind aus meiner Sicht die Themen Machterlangung, Machterhalt und Kontrolle der Macht.
„Ich denke dass das gegenwärtige „one fits all“-Modell der Gesetzgebung – ein Gesetz das für alle passen soll – durch eine Vielzahl unterschiedlicher Vereinbarungen von Menschen untereinander abgelöst werden. Diese Vereinbarungen gelten natürlich nur für die die sie treffen und können natürlich nicht zu lasten dritter abgeschlossen werden.“
Ich habe keine Vorstellung, wie das in der Praxis funktionieren könnte.
Beispielsweise sehe ich ein simples Mengenproblem, ein Wissensproblem (wie formulier ich das Gewünschte), ein Problem bei Streitigkeiten (wer entscheidet auf welcher Basis) usw.
Ich fange mal ganz unten an. Wenn ich den Satz schreibe „Kein Mensch hat das Recht über einen anderen zu verfügen“, wird wahrscheinlich kaum wer widersprechen. Daraus folgt aber auch dass keine 2 Menschen das Recht haben können über einen anderen zu verfügten. Das kann ich dann hoch zählen bis ich bei 100% der Menschen minus einem bin. In meinem Weltbild haben auch diese nicht das Recht über den einen zu verfügen, aber hier wird der Widerspruch vermutlich schon recht groß sein. Aber ist das wirklich ein Mengenproblem und wo ist die Grenze, bei 50% plus einem, die über 50% minus einem verfügen können?
So weit zur Theorie, praktisch hab ich ebenso wenig wie Du eine Vorstellung wie das in der Praxis funktionieren könnte. In meinem Beitrag habe ich eine Idealvorstellung skizziert, von der ich denke, dass sie eine wachsende Menge von Menschen teilen und fordern.
Es wäre auch völlig verfehlt gedacht, dass irgend ein einzelner oder eine Partei das Patentrezept in der Tasche hat und es, kaum an die Macht gelangt, umsetzen kann.
Vielmehr geht es darum Möglichkeiten frei zu machen, dass die BürgerInnen selbst herausfinden können wo und wie sie ohne Anweisung von oben ihre Angelegenheiten organisieren können. Es geht dazu den Prozess zu zu lassen und nach Kräften zu fördern und nicht die Lösung zu liefern.
Bedeutet die Forderung „gläserner Staat statt gläserner Bürger“ nicht bereits einen ersten Schritt in diese Richtung.
Letztlich haben sich, durchaus schmerzvoll, die Piraten auch in diese Richtung bewegt. Stand Anfangs ein ziemlich starres Regelkonzept im Vordergrund mit der Vorstellung alles und jedes müsse von allen mitentschieden werden steht heute mehr die Crew und der einzelne im Vordergrund, die zwar nach bestem Wissen und Gewissen und einem gemeinsamen Ziel verpflicht, aber doch ziemlich eigenverantwortlich agieren. Einen Beitrag wie obigen ohne Absegnung durch die Basis öffentlich zu stellen wäre vor ein paar Jahren noch Hochverrat gewesen und mit einem nicht enden wollenden Shitstorm geahndet worden. Heute diskutieren wir darüber.
Es ist natürlich auch möglich, dass ich mir etwas vormache und Dinge zurechtbiege, damit sie in mein Weltbild passen. Mich interessiert daher zum jetzigen Zeitpunkt mehr ob ich mit der Grundthese auch tatsächlich recht habe als wie das praktisch funktionieren könnte.
Kannst du bitte definieren, was du mit „verfügen“ genau meinst?
Zu deiner Idealvorstellung:
Stell dir eine Gruppe mit 10 Personen vor, die sich vorher nicht gekannt haben. Es gibt also vorab keine Hierarchi, keine besonderen Vorschriften, wie miteinander umzugehen ist. Sie müssen eine Aufgabe innerhalb einer 1/2 Stunde lösen.
Was passiert in den meisten Fällen? Zuerst diskutieren alle durcheinander, manche hören nur zu. Dann bilden sich einige Grüppchen, in denen weiter diskutiert wird, wie das Problem am besten zu lösen ist. Nach spätestestens 10 oder 15 Minuten kristallisiert sich ein Gruppenchef heraus, nicht weil er dazu bestimmt wird, sondern weil immer mehr ihm zuhören und das machen, was er vorschlägt. Ab dem Moment arbeiten alle mit, um das Problem (innerhalb der Zeit!) gemeinsam zu lösen.
Ich denke, hier gibt es 2 wesentliche Faktoren:
1. Die beschränkte Zeit zwingt zu organisiertem und effizientem Arbeiten. Wenn jeder das macht, was er für richtig hält, hätten wir 12 Ergebnisse und somit keines.
2. Es gibt Menschen, die es lieben, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung dafür zu tragen (Chef-Typen). Aber es gibt viel mehr Menschen, denen es lieber ist, durch ihren Beitrag eine erfogreiche Lösung zu ermöglichen. Sie fühlen sich wohler, wenn ihnen gesagt wird, was zu tun ist und sie arbeiten engagiert mit.
Dann gibt es noch die Gruppe, denen alles wurscht ist, aber die ignoriere ich jetzt.
Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Menschen die Realisierung deiner Idealvorstellung wünschen. Würde sie umgesetzt, wären sie aber unglücklich.
Mit verfügen meine ich, dass kein Mensch das Recht hat einem anderem Vorzuschreiben was er zu tun oder zu lassen hat. Das beteutet natürlich auch, dass kein Mensch das recht hat etwas zu tun oder zu unterlassen, das einem anderen dieses Recht beschränkt. Mord ist verboten, Selbstmord nicht. Personen, die nicht in der Lage sind in vollem Umfang eigenverantwortlich zu handeln lasse ich außen vor.
Ich denke dass am Ende alle Mitglieder der 10-Personen hochzufrieden wären. Finde ich auch völlig in Ordnung so.
Gerade in der Politik wird viel unnötiger Zeitdruck aufgebaut einfach um etwas durchzusetzen. „Speed kills“ hat einmal Schüssel formuliert und meinte damit, dass Geschwindigkeit möglichen Widerstand tötet. Letztlich leben wir zumindest hierzulande in einem im großen und ganzen funktionierenden Gesellschaftssystem es droht aus meiner Sicht keine Katastrophe wenn man sich für Verbesserungen die Notwendige Zeit gibt.
Natürlich gibt es unterschiedliche Typ Menschen. Nur daraus, dass jemand gerne Chef spielt ergibt sich noch keine Rechtfertigung dafür, dass er es auch ist. Ich habe keinerlei Problem damit, dass Menschen unterschiedliche Rollen nach ihren Neigungen und Fähigkeiten ausfüllen, sobald dies von den Beteiligten auch so akzeptiert wird.
Der Punkt ist, genau der, dass (vermutlich) viele Menschen die Idealvorstellung teilen. Also werden sie auch Wege finden dorthin zu glangen.
Die Piraten sind auch bei weitem nicht der Einzige Player in diesem Spiel. Die Bandbreite die staatliche Audorität hinterfragen reicht von Bitnation bis Reichsbürger.
Wenn ich deine Idealvorstellung richtig verstehe und konsequent weiter denke, würde das bedeuten, dass sich die Gesellschaft auflöst und es nur mehr Individuen gibt. Damit würde es auch keine Sozialgemeinschaft mehr geben, da sie darauf beruht, dass eine große Menge einer kleinen Menge hilft. Die Sicherheit wäre nicht gewährleistet, da du nicht mit jedem Polizisten oder Soldaten ein Abkommen über seine Bezahlung und seinen Einsatz machen kannst. Wenn du als Lehrling in einem Betrieb beginnst, musst du ein Abkommen über die Arbeitszeit machen, ein Abkommen über die Bezahlung, ein Abkommen über den Lehrinhalt usw.
Das Problem mit den Idealvorstellungen ist meiner Meinung nach, dass man bei der Entwicklung des Ideals einen sehr positiven Zugang hat (ist nicht anders zu erwarten), aber die Auswirkungen – vor allem die negativen Auswirkungen – nicht ausreichend bedenkt. Ob das Ideal in der aktuellen Realität umsetzbar ist, muss dann nach der Entwicklung des Ideals ausführlich analysiert werden. Da kann das Ergebnis lauten: Umsetzung ist vorstellbar, Umsetzung ist vorstellbar mit Abstrichen, Umsetzung ist völlig unrealistisch.
Damit bin ich bei den Piraten.
Die Piraten haben hohe Ideale, hehre Ziele und ein super Programm. Das sind die Gründe, warum ich der Partei beigetreten bin. Tragischer Weise verhindern genau die Ideale, dass die Ideale auf politischer Ebene (im Parlament) verbreitet werden können.
Offensichtlich hat der Realitäts-Check gefehlt, dessen Ergebnis vermutlich „Umsetzung mit Abstrichen“ gelautet hätte. Durch Verzicht auf Hierarchien und Macht, durch stark basisdemokratische Züge und durch das Bemühen, moralisch sauber zu abeiten haben die Piraten einen gewaltigen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen Parteien. Ein dauerhafter politischer Erfolg ist daher leider eher unwahrscheinlich. Das Hauptprolem sehe ich darin, dass die Bevölkerung egoistischer geworden ist und hauptsächlich auf die eigene Sicherheit in allen Lebensbereichen und auf den eigenen Vorteil schaut. Moralisch und ethisch hochstehende Ziele und Vorgehensweisen erwecken kaum ernsthaftes Interesse.
Der Spruch „Der Zweck heiligt die Mittel“ bringt Lösung und moralisches Dilemma gleichzeitig. Wenn wir uns in Organisation und Vorgehen den anderen Parteien annähern, hätten wir wesentlich größere Chancen, unsere Ideale auch ausserhalb der eigenen Partei zu verwirklichen, würden aber genau diese Ideale verraten. Ich hoffe, wir finden noch einen goldenen Mittelweg!
Inhaltlich bin ich etwas optimistischer, da die oben angesprochene Sehnsucht nach Sicherheit in allen Lebensbereichen durch Themen wie zum Beispiel BGE und Netzsicherheit zum Teil gut abgedeckt werden.
Ich habe versucht einer Erklärung dafür zu finden, warum die Piraten entstanden, warum sie sich explosionsartig ausgebreitet haben und warum sie auch nach einer Serie von Misserfolgen immer noch existieren. In meiner Theorie stecken mit Sicherheit einige unbewiesene Behauptungen.
Etwa, dass es für das Entstehen einer im politischen Spektrum neuen Partei eine Gründungsfrage braucht. Die Behauptung „bessere Politik zu machen“ genügt, zumindest auf Dauer, nicht. Ebenso unbewiesen ist meine Behauptung, dass es die Gründungsfrage der Piraten war war, ob es Macht, oder nenn es meinetwegen eine normierte Hierarchie, zur Organisation einer Gesellschaft benötigt. Als IT-Fuzzi beeinflussen mich da natürlich die technischen Entwicklungen, die einen deutlichen Trend weg von der klassischen Client-Server Architektur hin zur Peer-to-Peer Netzen weisen.
Gesellschaft und IT ist natürlich nicht das Gleiche, wenn man sich aber nur auf die Organisation beschränkt, kann man durchaus parallelen erkennen. Die Technik macht sich, gerade was den Bereich künstliche Intelligenz betrifft, sehr stark evolutionäre Modelle zu nutze, da sie in der Lage ist den Nachteil der Evolution, nämlich schweinelangsam zu sein ausgleichen kann. Auch hier begebe ich mich jetzt wieder in den Bereich der unbewiesenen Behauptung, aber ich denke dass schnelle Evolution signifikant bessere Lösungen liefert als Planung und Konstruktion.
Doch zurück zur Politik. Demokratische Systeme beginnen mehr und mehr daran zu scheitern, dass sie in einer Zeit entworfen wurden als Zeit und Entfernung noch eine wesentliche Rolle gespielt haben. Man musste einfach mitberücksichtigen, dass es Zeit braucht, um eine Versammlung zusammentreten zu lassen, und dass das nicht bei jedem Anlass möglich ist. Stabilität war daher für das Funktionieren ein entscheidender Faktor. Das war auch kein allzu großes Problem, nachdem sich auch die Gesellschaft langsamer bewegte und damit auch leichter voraussagbar war. Heute stehen wir vor der Situation, dass sowohl die Wirtschaft aber auch jeder einzelne über das Internet ohne zeitliche und räumliche Schranken agieren kann, die Politik aber immer noch in den veraltetet Strukturen festhängt. Alle 4,5,6 Jahre erfolgt eine generelle Richtungsentscheidung über Wahlen, einmal im Monat trifft man sich um Detailentscheidungen zu treffen. Dem gegenüber stehen Konzerene mit zumindest gleicher oder größerer finanzieller Macht, jede technische Möglichkeit nutzen um schnell agieren und reagieren zu können.
Das ganze passt hinten und vorne nicht mehr zusammen. Auch eine territoriale Gliederung einer Gesellschaft mag durchaus sinnvoll gewesen sein, als das Territorium im Groben jenen Bereich umfasste innerhalb dessen Menschen kurz abgenommen hätte sie wären besser um sie ein paar Jahre später endgültig zu entsorgen.miteinander interagieren konnten. Heute stehe ich mit Leuten in anderen Ländern mehr in Kontakt als mit Menschen die mit mir im gleichen Haus leben. Würde eine plötzliche partielle Amnesie sämtliches Wissen über staatliche Ordnungen auslöschen und die Menschheit müsste sich von null auf neu organisieren, dann wäre die Vorstellung Staaten nach heutigem Muster zu gründen irgend etwas zwischen Lachnummer und Diagnose.
Ich bin mir also ziemlich sicher, dass in der politischen Ordnung gewaltige Änderungen unvermeidbar sind. Und dabei würde ich, siehe weiter oben, eher auf schnelle Evolution, denn auf Konstruktion setzen.
Evolution funktioniert aber nicht mit zentraler Regelsetzung, sondern mit einer Vielfalt von Antworten auf die gleiche Frage, die zueinander im Wettbewerb stehen.
Ausgehend vom jetzigen System müsste man sich daher bei jedem Gesetz ernsthaft die Frage stellen, ob es wirklich ein Regelwerk für alle benötigt oder ob man das nicht den Bürgerinnen selbst überlassen könnte.
Evolution hat natürlich einen gewaltigen Nachteil, das Resultat ist nicht vorhersagbar. Ich kann daher auch nicht im entferntesten beurteilen, ob diese Gedanken zu einer vollständigen Individualisierung führen würden, ich halte es aber für unwahrscheinlich, nachdem das eingebettet sein in eine Gemeinschaft ein menschliches Grundbedürfnis ist.
Und zu den Piraten, hätten sie ihre Ideale über Bord geworfen und „pragmatisch“ Politik gemacht, wären sie eine Partei wie jede andere geworden, der man vielleicht
Meine Behauptungen sind auch weitgehend unbewiesen! Lediglich das Beispiel mit der 10er-Gruppe habe ich oft genauso erlebt, aber nie anders.
Insgesamt habe ich deine These viel radikaler interpretiert (so nach dem Motto, man kann auch ohne generelle Regeln leben. Daher auch meine langatmigen Kommentare. Aber jetzt glaube ich, dass ich vieles ein bisserl falsch verstanden habe.
Ich bin deiner Meinung, dass sich die politische Ordnung ändern muss.
Ich bin deiner Meinung, dass man nicht jede Kleinigkeit gesetzlich regeln muss.
Ich glaube aber nicht, dass, wenn sich eine Gemeinschaft von der grünen Wiese weg neu entwickeln könnte, die Spielregeln wesentlich anders wären als in den uns bekannten Systemen. Ich würde vermuten, dass sich eine Variation oder/und eine Kombination der bereits existierenden Gesellschaftsformen ergibt. Ich danke aber, dass die Komplexität unserer heutigen Welt besser berücksichtigt werden würde und man versuchen würde, die sich daraus ergebenden Ungerechtigkeiten zu minimieren.
Und ich glaube auch nicht, dass sich die IT (in absehbarer Zeit) soweit entwickelt und durchsetzt, dass persönlicher Kontakt tatsächlich überflüssig wird. Zur Kommunikation gehört mehr als Sehen und Hören. Um Vertrauen zu schaffen reicht ein Bildschirm (in Zukunft vielleicht ein Hologram) nicht aus.
Ich muss zugeben, dass ich die IT immer etwas skeptisch sehe. Ich war 30 Jahre in der IT tätig. Im Rückblick kann ich sagen, dass sich seit 1980 nur wenig grundlegend Neues entwickelt hat. Im Wesentlichen ist alles nur schneller, komplexer, variabler, vielfältiger, kleiner und auch einfacher geworden. Aber das ist eine andere Geschichte…