Nachdem die Piratenpartei traditionell keine Wahlempfehlung gibt und leider auch selbst nicht am Wahlzettel steht, wollen wir euch doch eine kleine Entscheidungshilfe geben und freuen uns daher ganz besonders, dass der ährwürdige Dr. MarcoPogo uns ein Interview gegeben hat, um die brennendsten Fragen dieser Wahl zu beantworten.

Bevor wir aber zum Interview kommen, noch ein paar Worte zu den anderen Parteien, denn diese Wien-Wahl hat ja sonst auch noch einiges zu bieten.

Allem rechts der SPÖ werden wir hier mal keine Zeit widmen. Wenn selbst der FPÖ die ÖVP zu rechts wird, muss man sich da inhaltlich nicht weiter damit beschäftigen. Ausländerhass ist einfach nicht unser Thema.

Beginnen wir bei den Grünen: Da hatten wir im Rahmen der Nationalalratswahl ja ein Tête-à-Tête, das uns ein wenig in die Parteikultur blicken hat lassen. Wahrscheinlich war das für beide Seiten ein eher seltsames Erlebnis. Die Grünen scheinen in ihrer Struktur sehr viel mehr hierarchischer zu sein, als man das gerne zugibt. In den Wahlkämpfen selbst sieht man davon nichts. Da werden Pools errichtet und schöne Bilder gemacht. Dass die Citybikes, die sie selbst eingeführt haben, jahrelang vor sich hinrotten oder, dass man im Sommer „Cooling Stations“, die einfach Straße kühlen in der Stadt aufstellt, passt dann aber irgendwie nicht mehr zum Klimaimage. Es fällt ziemlich schwer die Grünen greifbar zu kriegen, was wohl nicht zuletzt auch daran liegt, dass sie nicht halb so transparent sind, wie man sich Politik heute als halbwegs frischer Mensch vorstellen würde. Es bleibt jedenfalls ein Beigeschmack. Für manche eher Wachholder, für andere Schierling.

Zur SPÖ selber gilt es aus unserer Sicht nur darauf hinzuweisen, dass der neue Bürgermeister Michael Ludwig in dieser Wahl ein verstohlenes und undemokratisches Verhalten an den Tag gelegt hat. Er hat sich den Termin für die Wahl nicht nur genau so gelegt, dass sie möglichst früh stattfindet, um der laufenden Selbstzerfleischung der Bundespartei zuvor zu kommen, er hat auch dafür gesorgt, dass der Fristenlauf sehr überraschend kam und damit das Unterstützungserklärungen-Sammeln mitten in den Hochsommer fiel. Auch, dass das alles mitten in einer Pandemie stattzufinden hatte, war ihm gelinde gesagt scheißegal.

Es hätte die rechtliche Möglichkeit gegeben, das auch digital über Handysignatur abwickeln zu lassen. Dem wurde nicht entsprochen, was von Kleinparteien über BürgerInnen bis zu den Beamten in den Magistraten unnötig Mensch und Leben gefährdet hat. Dazu hat Ludwig dafür gesorgt, dass die Dauer für die Sammlung dieser UEs möglichst kurz ist. Sein Kollege Michael Häupl hatte da deutlich mehr Zeit gelassen. You know, sportliche Fairness, nachdem Kleinparteien sowieso systemisch benachteiligt sind. Aber all das wurde unter Ludwig weggewischt. Er selbst äußert sich dazu auch nicht. Demokratie stellen wir uns anders vor.

Nicht zuletzt dieser Umstand hat viele Kleinparteien kalt erwischt und daher sind dieses Mal einige Altbekannte gar nicht mehr am Stimmzettel zu finden. Der Wandel, also jene Partei, die uns noch öffentlich ausrichten hat lassen, dass man als Partei auch antreten muss, denn sonst ist man ne NGO, hat es genau in einem Bezirk auf den Stimmzettel geschafft. Das nenn ich haarscharf. Die Spaßpartie Die Partei ist immerhin im 2., 3., und 16ten Wiener Gemeindebezirk aufs Bezirksebene als „Liste KURZ“ anzukreuzen. Ob der Gag wirklich aufgegangen ist, wird man sehen müssen, aber zumindest traut man sich dort was.

Dann haben wir noch unser absolutes Lieblingsprojekt LINKS. Wie damals schon bei Wien Anders, kennen wir die Anordnung ja schon ganz gut. Ein offenes linkes Wahlbündnis, eine Sammelbewegung, die viele junge Leute zieht und die sich auch beträchtlichen Erfolg zamrechnet, wäre da nicht die KPÖ. Denn wie es damals war, wird es auch diesmal sein. Auf den aussichtsreichsten Plätzen sind KPÖler, die junge, motivierte Menschen benutzen, um unter falschem Namen für sie die Beinarbeit zu erledigen. Das hat bei Wien Anders schon nicht funktioniert, das ist unter KPÖ Plus sogar noch schlechter ausgefallen als ohne Plus und das wird auch diesmal wieder schief gehen.

Hinterlassen werden desillusionierte Menschen, in denen sich der Glaube manifestiert, dass man sowieso nix ändern kann. Das können auch wir nicht ausschließen, aber als eine Partei, die das auch schon durchgemacht hat, ist die Erkenntnis jedenfalls, dass es nicht geht, wenn man untereinander und miteinander nicht ehrlich und fair ist. Man kann sich nur wünschen, dass die Konsequenz nicht Resignation ist, sondern dass vielleicht sogar ein paar Wege in andere Parteien finden, wo es noch echten Wunsch nach Zusammenarbeit gibt, anstatt dieses Nosferatu-hafte Abschöpfen von Begeisterung und Liebe zur Welt.

Auch ein eher spannendes Projekt sind VOLT, die in den Bezirken 2-10 und 21 wählbar sind. Nach eigener Angabe handelt es sich dabei um das einzige pan-europäische Projekt in der österr. Politik [*hüstel* Anm]. Leider hat sich bisher noch kein Kontakt zu diesem Projekt ergeben, und zwar in ganz Europa noch nicht. Ist ja nicht so, als wären die Piraten nur in Österreich vertreten.

Bleibt uns noch das SÖZ, von denen in diesem Wahlkampf irgendwie nichts zu sehen oder mitzukriegen war. Wir verfolgen die Wahl ja mit Argusaugen, aber wofür diese Partei steht und wie sie funktioniert, ist auch nach einer kurzen Recherche nicht heraus zu bringen. Auf der Homepage finden sich jede Menge Allgemeinplätze, auch ein paar konkrete Forderungen, Statuten finden sich keine, obwohl diese zu veröffentlichen sind. Tja… irgendwie ist das wohl noch im Werden.

Und dann sind wir auch endlich beim spannendsten Kandidaten dieser Wahl, der Bierpartei. Ein frischer Wind ging durchs Land: Marco Pogo mit am Bier in der Hand.

Zwar ist die Bierpartei keine neue Partei, aber jedenfalls gelang es ihr, mehr Wind zu machen als alle anderen Parteien in diesem Wahlkampf. Das liegt sicher am Schmäh, den die „ernsthafte Politik“ zuweilen schwer vermissen lässt und den Videos und Aktionen eine gewisse Leichtigkeit verschafft. Das liegt aber natürlich auch an der durchaus professionellen Kampagne, die Herr Pogo da aufgezogen hat.

Im Vorfeld des Interviews haben wir uns da ein wenig umgehört und wie sich zeigt, ist die Bierpartei als allererste Partei in diesem Wahlkampf mit dem Sammeln der Unterschriften fertig gewesen. Das ist sehr erstaunlich. Einerseits wurde ein unmoralisches Angebot gemacht, nämlich Unterstützungserklärung gegen Gratisbier, andererseits ist man mit Street-Teams, Bierbus und Gerstensaftdauerfeuer auf die Umwelt los. Da sind einige Tausender die Donau hinunter, soviel ist mal sicher.

Angesichts einer geforderten Wahlkampf-Obergrenze von 500€ (Bier nicht mitgezählt) und einer proklamierten Unabhängigkeit der Bierpartei von allen Spendern und Konzernen, doch ein hübsches Sümmchen und da werden (und wurden) natürlich auch Vorwürfe laut, dass die Bierpartei gar keine politische Agenda hat, sondern die Partei nur eine riesige Werbeaktion für Marco Pogos Bier ist, also haben wir nachgefragt:

Hallo Herr Dr. Marco Pogo,

danke, dass du uns so Kurz vor der Wahl noch ein paar Fragen beantwortest. Wie ist die Laune so? Wird die Bierpartei einen Erdrutschsieg erleben?

Wahrscheinlich betrunken. Davon gehe ich aus. Es wird auf keinen Fall ein nüchterner Wahlsonntag werden.

Unserm Eindruck nach hast du es ja geschafft, mehr Medienpräsenz zu generieren als SÖZ, Links, Wandel & die Partei Die Partei zusammen. Wie ist dir das gelungen?

Weil meine Inhalte gut und schlüssig sind. Das kommt auch bei den WählerInnen an. Ich lieg ja auch im Social Media Wahljahr deutlich vor allen antretenden Parteien, also auch den andren Spaßparteien ÖVP, FPÖ, GRÜNE, SPÖ und wie heißen die nochmal, die Pinken?

Nachdem die Bierpartei in Wien als erste mit den Unterstützungserklärungen fertig war, stellt sich natürlich die Frage, ob die Menschen Bier tatsächlich wichtiger ist als programmatische Themenarbeit. Findest du nicht auch, zumindest ein bisserl, dass dieser Erfolg auch eine Schattenseite offenlegt?

Nein. Wenn man nur mit Bier Politik machen könnte, müsste die FPÖ ja bei 94% liegen, die geben ja seit 60 Jahren Freibier aus (die andren Parteien übrigens auch).

Zwischenfrage 1: Was hilft am besten gegen 3 Bier?

Ein Viertes.

Dann wollen wir auch thematisch gleich mal ein paar Fragen abarbeiten. Wir haben uns zB deine Antworten bei Wahlkabine.at genauer angeschaut. Da sagst du zB, die Sozialhilfe NEU sollte in Wien nicht umgesetzt werden, was übrigens alle Parteien gemeint haben, aber dir war das Thema sehr unwichtig und damit am wenigsten wichtig von allen wahlwerbenden Parteien. Warum ist dir soziale Absicherung so unwichtig?

Ich habe mich gegen die Sozialhilfe NEU ausgesprochen, falls ich mich für dein Empfinden zu wenig dagegen ausgesprochen habe, verspreche ich Besserung.

Glaubst du nicht auch, dass man zum Saufen möglichst viel Tagesfreizeit haben sollte?

Das propagiere ich seit Jahren.

Eine zweite Frage zur Wahlkabine. Da wurde zB auch gefragt, ob du dafür bist, dass „im sozialen Wohnbau die Bevorzugung von Menschen, die schon länger in Wien gemeldet sind, abgeschafft werden“ soll? Da hast du mit „Nein“ geantwortet und das als superwichtig markiert. Das ist dieselbe Antwort, die sonst nur die ÖVP, die FPÖ & das Team HC hingelegt haben. Wo würdest du angesichts dieser inhaltlichen Nähe zu Rechtsparteien die Bierpartei politisch denn einordnen?

Weil ich der Meinung bin, dass wenn jemand schon lange hier ist und länger wartet, schneller drankommen sollte. Das gilt übrigens auch am Amt, im Gschäft oder an der Bar. Völlig gleich, ob Ausländer oder Inländer – das steht übrigens auch in meinem Programm – ‚A Mensch is a Mensch‘.

Natürlich hätten wir uns dazu gern ein eigenes Bild gemacht, nur hat die Bierpartei kein Parteiprogramm, wo man das überprüfen könnte. Das Programm ist also MarcoPogo und MarcoPogo ist das Programm. Kannst du uns erklären, wie es zu inhaltlichen Positionen in der Partei kommt oder zumindest wie es dazu, angesichts eines möglichen Einzugs in den Gemeinderat, kommen wird?

Let me Google that for you – www.bierpartei.eu!

[Anm: Gefragt haben wir nach dem Parteiprogramm, nicht dem Wahlprogramm. Wie es zu Entscheidungen kommt, ist nur sehr knapp aus den Statuten zu entnehmen. Da steht: [Der Vorstand] „ist beschlussfähig bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und entscheidet mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.„ Insgesamt besteht der Vorstand aus 3 Mitgliedern, ist also ein Mitglied nicht da, entscheidet der Chef = MarcoPogo. Übrigens auch über Ausschluss von Mitgliedern, siehe Mitgliedschaft: https://www.bierpartei.eu/satzung.html

Zwischenfrage2: Corona oder Desperados?

TurboBier.

Wir Piraten machen unser Parteiprogramm ja über ein sog. Liquid-Feedback System, also über eine Software, mit der Programmpunkte und Positionen abgestimmt werden können und die dann auch für den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin bindend sind. Was hältst du von so einer Verpflichtung? Würdest du das auch in der Bierpartei basisdemokratischer gestalten, oder sind soweit alle damit zufrieden, dass du sagst, wo’s lang geht?

Ich hab in der Bierpartei auch ein Liquid-Feedback-System, funktioniert prächtig, ich stell mir Liquid rein und mein Körper gibt dann Feedback. Meistens ‚bitte mehr davon‘.

Du hast in einem recht bekannten Video ja eine Wahlkampfobergrenze von 500€ gefordert, dann aber in einem Interview eingeräumt, dass du dich selbst auch nicht dran hältst, und zudem Gratisbier da gar nicht in diese Rechnung reinnimmst. Die Bierpartei ist, wie oben schon erwähnt, beim UEs Sammeln erfolgreicher gewesen als alle anderen Parteien. Wieviel, würdest du schätzen, hat das gekostet?

Sicher viele Nerven und auch die eine oder andre Leberzelle!

Wie du letzthin auch öffentlich eingeräumt hast, ist die Bierpartei nach eigener Aussage die einzige unabhängige Partei, die man wählen kann. Heißt das, dass du persönlich, also privat, für diese Kosten aufkommst?

Ja.

Dann noch zur zentralen Forderung der Bierpartei: Die Errichtung eines Bierbrunnens. Da haben uns viele Fragen erreicht, wie man gedenkt das zu lösen. Wird man da eine Schlange haben und werden da rundherum Sitzmöglichkeiten aufgebaut? Gibts da vielleicht auch so schöne 3D-Render, wie sie derzeit en vogue sind? Und wenn nein, magst du uns vielleicht eine Zeichnung zukommen lassen?

Es gibt medial bereits weit verbreitet eine Skizze meines Brunnens. Klar soll man da sitzen können. Noch wichtiger ist aber: Man sollte einen Sitzen haben.

Zwischenfrage3: Was ist wichtiger, Temperatur oder Marke?

Marke.

Abschließend noch der Hinweis: Wir wählen diesen Sonntag. Das Alkoholverbot in Österreich ist an Wahltagen abgeschafft, also es gibt keine Ausrede.

Dr. Marco Pogo. Danke für das Interview.

Ich sag: Danke und Prost!

Schönstes Schlusswort. Wir sehen uns an der Wahlurne diesen Sonntag.

(d)

 

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